Peter Brings und der Ostbahn-Kurti – Interview Training zwischen Wien und Köln

Es war Anfang der 90er Jahre, da wehte es einen frischen Mundart-Rock aus Köln daher. Brings entwickelten den bis dato amtlichen traditionellen BAP-Sound für die jüngere Generation weiter. Bon Jovi statt Bruce Springsteen am Rhein.

Im Saarland war man gegenüber der kölschen Mundart immer offen, und so spielte das SR-Radio die jungen Wilden aus der Domstadt mit großer Begeisterung. Es blieb ja in der Familie, denn BAP-Gitarist Klaus Heuser hatte die Band um die Brüder Stephan und Peter Brings auf die Rampe gebracht und zum Karrierestart produziert. Brings kamen zu Radiointerviews nach Saarbrücken und rockten die Ford-Garage für ihre kleine feine Fan-Gemeinde im Saarland.

Als Reporter war ich zusammen mit Dieter Exter da immer mal wieder näher dran und durfte auch hinter die Bühne.

Wenn man Rock-Jungs als wild und ungestüm bezeichnen mochte, so traf das besonders auf Brings zu. Stephan Brings, der jüngere und ruhige Bassmann der Band versuchte bisweilen seinen einen Jahr älteren Bruder Peter etwas zu bremsen. Was aber wie bei einem Jungpferd im vollen Saft schwierig war. Peter war eine Rampensau mit unglaublicher Bühnenpräsenz, rauchiger Stimme, langen Haaren und gerne mit freiem Oberkörper. Das Auge der Damenwelt hörte ja mit. Nach den Konzerten wurden entsprechende Rauchwaren gereicht und herrlich beim Mitternachtssnack rumgealbert. Das Reinschnuppern in den ausgelassen Musikzirkus mit verzerrten Gitarren machte Spaß und die Brings-Männer ließen uns gerne mitfeiern.

Eines Abends sollte es sich ergeben, dass Brings als Radio-Gäste auf dem Halberg mit einem TV-Musiker im Dritten Programm zusammen trafen. Ein seltener Gast in Deutschland, in seiner Heimat Österreich aber ein Großer – Dr. Kurt Ostbahn.

Der Ostbahn-Kurti war ein Wiener Original und hieß laut Ausweis Willi Resetarits. Auch er hatte einen Bruder: Lukas. Den kannten die Fernsehzuschauer als bekloppt-coolen Major Kottan, der für das Wiener Sicherheitsbüro ermittelte. Willi, bzw. Kurt war ebenso Rockmusiker, hatte mit Wiener Cover-Versionen bekannter Klassiker von Clapton bis ‚Bachmann-Turner-Overdrive eine große Fangemeinde und war damals ein bisschen so was wie ein Wiener Westernhagen.

Es kam, dass Peter Brings und der Ostbahn-Kurti nach Interview und TV-Auftritt den Absacker und das After-Show-Schnitzel gemeinsam in einem kleinen Restaurant mit einer handvoll SR-Kollegen einnahmen.

Gegenüber saßen sich kölsche Ausgelassenheit und wienerische Coolness, ein rheinischer Heißsporn und ein ‚k. + k.-Abgeklärter’. Der fast noch Rock-Newcomer und der nicht ganz 15 Jahre ältere Routinier kamen ins Kollegen-Gespräch. Die Pommes genießend musste ich nur zuhören und bekam eine Lehrstunde in Interview-Führung von der anderen Seite.

Peter Brings war leicht in Rage. Er war für die neue CD auf Senderreise. Das bedeutete, dass er in schneller Folge gefühlt hundert Mal dieselben Fragen hintereinander gestellt bekam. Und zudem auch mit Dingen konfrontiert wurde, die er eigentlich nicht besprechen wollte. Peter kam in Fahrt. „Die fra’ren misch nie zu der neuen Platt’, dat ist doch Scheiße! Ich frach doch dä Bäcker och nit no Hackfleisch, sondern no dä Brötscher!“

Dr. Kurt Ostbahn blieb ruhig und entspannt. Er hatte kurz zuvor mit Freude festgestellt, dass das Restaurant nicht nur Riesling, sonder seine Lieblingsrebe, den grünen Veltliner führte: „Woast, des is hoid so. Über Musik kann ma net redn, die muss ma hörn!“ Brings stutzte. Das war nicht von der Hand zu weisen.

Das war auch oft mein Problem in der Vorbereitung von Musikerbesuchen. Was sollte man über Gitarrensounds und Orgel-Soli reden. Waren sie gut, hörte man das. Und die Produktion eines Albums war ehrlich gesagt meist schnell besprochen. Hatte eine Band beispielsweise irgendwo im Süden aufgenommen, konnte man vielleicht noch Touristentipps rund ums Studio erfragen. Es war halt interessanter etwas aus dem Leben des Musikers zu erfahren.

Das war Peter Brings’ Problem und er gab sich noch nicht zufrieden. Sicher hatte er während der Besuche in diversen Morning- und Nachmittags-Shows, wie die Radiosendungen mittlerweile landauf landab hießen, manche private Frage parieren müssen: „Die wollen immer wissen, wie dat mit dä Mädscher wohr. Wat jeht die ming eezte Fröndin ahn?! Und wie un wo mir wat hatte, sie un isch! Dat kann doch nit sin, dat ma sujet frööt!“

Ostbahn-Kurti schmunzelte und gleich kam Interview-Lektion Zwei: „Ah geh, do musst di verweigern, oba lustig, verstehst?“

„Wie?“ entgegnete Brings ungläubig

„Wenn di tatsächlich irgendwer frogt, wie dei erstes Mal woar, dann antwoartest: sie hat gesagt, es woar wie im Paradies!“

Peter, der Jüngere hob die Augenbraue und Kurti, der Ältere lieferte genüsslich die Pointe: „Du host mi pudert, wie der earste Mänsch!“

Großes Gelächter am Tisch, baffes Erstaunen in der Kölschen Fraktion: „Dat wör mir nie einjefallen, super!“

So locker und entspannt müsse man Interviews immer angehen, riet der Wiener heiter. Die Zeiten der oberflächlichen Radio-Talks hatte er selbst lange hinter sich oder wusste mittlerweile, sie für sich zu nutzen. Zudem hatte Österreich damals noch keine Privatsender und Willi wurde noch beim altehrwürdigen ORF zu Nachtsendungen geladen, wo er dann seine eigene Plattensammlung zur Programmgestaltung mitbringen konnte. Für den Musikdino gab es in der Alpenrepublik noch tolle Radioformate, UKW-Biotope einer vergangenen Epoche!

Die Nacht endete zu unterschiedlichen Zeiten. Ich durfte den Ostbahn-Kurti irgendwann selbst müde zum Hotel bringen, während sich Brings noch in die Saarbrücker Szene stürzte.

Der Tipp mit den Pointen hat dann später bei den Kölschrockern zu großen Veränderungen geführt. Nachdem BAP letztendlich doch den längeren Hitparadenatem hatten, schwenkten Brings mit kräftigem Polka-Zwei-Vierteltakt um zu fetziger Karnevals-Unterhaltung.

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