The Alan Parsons Project oder kurzer Ruhm und die Halbwertszeit des Vergessens

Peter Weck hatte im Theater an der Wien den Musicalboom für den deutschsprachigen Raum begründet. Mit CATS hatte er den Broadway in New York und das Londoner Westend auf das europäische Festland geholt. Nach Erfolgen auch mit ‚Les Misérables’, ‚A Chorus Line’ oder ‚Das Phantom der Oper’ wollte der engagierte Schauspieler und Intendant in der Stadt Mozarts und Beethovens auch einmal mit einer selbst produzierten Musical-Premiere für Furore sorgen.

Der Stoff klang vielversprechend: ein Sohn der Stadt Wien, Sigmund Freud war roter Faden des aktuellen Konzept-Albums von Eric Woolfson und Alan Parsons – dem umjubelten ‚Project’, das schon das Werk von Edgar Alan Poe, Antonio Gaudi und anderer Kulturgrößen vertont hatte.

‚Freudiana’ war die Geschichte eines jungen Mannes, der versehentlich im Freud-Museum eingesperrt wird und die Nacht auf der legendären Couch verbringen muss. Irgendwann vermischen sich Traum und Wirklichkeit. Die freud’schen Patiententypen treten hinzu. Alle mehr oder weniger einen an der Klatsche, singen sich die Charaktere mal mit fetzigem Rhythmus, dann via tragische Ballade ohrwurmig durch die Szene, bis der junge Eric am nächsten Morgen wieder befreit wird und ein anderer Mensch ist.

‚Freudiana’ war hochkarätig besetzt: Ulrich Tukur spielte und sang den gefangenen Museumsbesucher. Natürlich war der Komponist Eric Woolfson da und als Toningenieur feilte Alan Parsons selbst im altehrwürdigen Theater an der linken Wienzeile am Sound.

Als Reporter wurde ich von der Pressestelle der Wiener Bühne zur Premiere akkreditiert. Ich würde die Reise- und Hotelkosten mit Beiträgen für den SR und den WDR wieder einspielen, so hatte ich die Tour gegen finanziert,  wäre aber auch einfach so hingefahren, denn bei solch einem Event wollte ich unbedingt einmal dabei sein. Mit mir reiste ein Freund der für die Rheinpfalz schrieb.

Der Umgang mit Pressestellen ist nicht immer einfach. Dort müssen die Mitarbeiter den Protagonisten einer Produktion den Rücken frei halten, und sollen nicht andauernd die Proben stören. So bekommen im Vorfeld solcher Uraufführungen nur ganz wichtige TV-Stationen und auflagenstarke Blätter noch Interview-Termine. Die Verbindung zu Linda Thiery, der damaligen PR-Chefin vom Theater an der Wien, war aber ebenso herzlich wie ihrerseits wohlwollend. So gab es exklusiv für den kleinen SR-Reporter und den Zeitungskollegen das Rundum-Sorglos-Interview-Programm: Ulrich Tukur, Produzent Brian Brolly, Eric Woolfson und Alan Parsons mussten sich jeder mindestens 20 Minuten für uns Zeit nehmen. Und sie präsentierten sich allesamt als nette, auskunftsfreudige und entspannte Erzähler.

‚Lucifer’ war seit jeher eines meiner Lieblingsinstrumentals, ‚Eye in the sky’ hatte ich mit 16 einer Flamme zum Geburtstag geschenkt und überhaupt war die Musik vom Alan Parsons Projekt immer mit großem Orchester und ebensolchem Sound aufgenommen. Die beiden Väter dieser Meilensteine der Popmusik ganz locker und freundlich zu erleben, war damals ein ganz besonderes Erlebnis. Keine Allüren, keine Zickerein, offen und ehrlich wurde vom damals neuen Experiment ‚Theater‘ berichtet. Parsons gab bereitwillig Auskunft darüber, dass man auch für die Bühne einen CD-tauglichen Klang hinbekommen könne, und dass er nah dran wäre. Wir wünschten toitoi für den nächsten großen Abend, denn London und New York waren gespannt, was in Wien da über die Bühne gehen würde.

Dermaßen freundlich von der Promi-Welt aufgenommen, erwarteten auch wir gespannt die Premiere, zumal auch es anschließend zur Riesen-Sause in die eigens dafür dekorierte Wiener Börse gehen sollte. ‚Freudiana’ ging mit schönen Songs und spektakulären Bühnentricks über dieselbe. Und dann zog das illustre und ebenfalls starbesetzte Publikum zum Ort der Feier. An Stehtischen im Ein-/Ausgangsbereich erwarte man bei einem herrlich-trockenen österreichischen Sekt das Ensemble und die Produzenten. Wir erkannten viele bekannte Gesichter. „War das nicht Katja Ebstein?“ „Guck mal da, André Heller, und der da drüben hat doch mal Kinderfernsehen gemacht“…die Star-Szene amüsierte sich, die Band spielte, Häppchen wurde gereicht. Wir mittendrin, zwei unbedeutende kleine Lichter der Medienwelt.

Die Tür ging auf, Tukur betrat die Börse, sah uns, winkte herüber, „na hat’s Euch gefallen?“ – „Klar tolle Rolle!“ Ein ebenso freundliches Nicken kurz darauf von Parsons: „Hallo Alan, great Sound!“ Schließlich Eric Woolfson. Er kam sogar an unseren Stehtisch inmitten der Schönen und Bedeutenden: „Und wie fandet Ihr ‚Freudiana’? … freut mich… habt noch Spaß, wir sehen uns, bye.“

Getuschel um uns herum, da wurden prominente Köpfe zusammengesteckt. Wer zum Teufel waren diese beiden Typen? Alle Musicalleute hatten zuerst mit denen erzählt, wie konnte das sein? Waren die etwa wichtig? Sehr seltsam, warum hatte man sie nie vorher gesehen? Der Nebenmann kannte sie auch nicht und der Burgschauspieler hatte ebenso keinen Schimmer!

Schon wenige Tage später waren wir wieder aus dem Gedächtnis der ‚Freudiana-Macher’ verschwunden. Das Musical ist es mittlerweile auch. Letzteres ist bedauerlich, denn die Songs hätten es verdient wieder auf einer Bühne gespielt zu werden. Es dauerte nicht lange und es entbrannte zwischen dem Theater, der britischen Produktionsgesellschaft und dem mittlerweile leider toten Eric Woolfson ein erbitterter Streit um die Aufführungsrechte. Oder etwa doch um die Namen der Reporter, damals, einen Tag vor der Welt-Premiere?

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